Obwohl wir mit 90 Jahren eine relative junge Gemeinschaft sind, ist es ein unmögliches Unterfangen, in ein paar Augenblicken sämtliche Geschehnisse und Begebenheiten in der Entstehung im Detail wiederzugeben. Historisch gibt es zwei zentrale Persönlichkeiten, die aus Respekt vor ihrer Leistung speziell erwähnt werden.
Das Rektorat
„Im Jahre tausend achthundert drei und neunzig den sieben und zwanzigsten Hornung, vor mir, Emil Zen-Ruffinen ,in Leuk wohnhaften Notaren und in Gegenwart der unten genannten Zeugen erscheint seiner Hochwürden Pfarrer Ignaz Hasler, Sohn des Anton, wohnhaft in Agarn, welcher verschenkt und als ausschliessliches Eigentum der Munizipalgemeinde zum Zwecke einer Stiftung abtritt ( Gründung eines Rektorates in Agarn):
Mit diesen Worten beginnt die Urkunde, durch die H.H.Ignaz Hasler einen grossen Teil seines väterlichen Vermögens der Gemeinde Agarn zur Errichtung eines Rektorates schenkte. H.H.Hasler machte durch diese grosszügige Schenkung eine ganz neue Entwicklung unseres Dorfes möglich. Seine Tat ist unvergessen. Er ist somit faktisch der Gründer unserer Gemeinde.
Seine Lebensdaten
Die Familie Hasler kam im 18. Jahrhundert aus Lötschen nach Agarn und bürgerte sich hier ein. Ignaz Hasler ist 1822 in Agarn geboren. Er studierte bei den Jesuiten in Sitten. Am 25.Mai 1850 weihte Bischof Peter Josef de Preux Ignaz Hasler zum Priester. Die Primiz feierte der junge Geistliche am 15. August 1850 in Leuk. Von 1881 - 1885 war er Pfarrer von Ems. Von dort kehrte er nach Agarn zurück, wo er dann von 1893 - 1917 wirkte. Er ist später aber noch in Rechthalden (FR) und als Kaplan in Monthey seelsorgerisch tätig gewesen. Als betagter Mann kehrte er endgültig nach Agarn auf sein väterliches Gut zurück, das ihm ein für damalige Verhältnisse unabhängiges Leben gestattete. Leider gehörte auch er zu den Brandgeschädigten von 1899. Am 15.August 1910 feierte Ignaz Hasler in Leuk sein 60-jähriges Priesterjubiläum. Hier verschied er im patriarchalischen Alter von 95 Jahren. Er wurde an der Südseite der Kirche von Leuk begraben. Auf Initiative von Sepp Schmid wurden dann in den sechziger Jahren seine Gebeine aufgenommen und nach Agarn in sein Dorf überführt. Um die Person von Ignaz Hasler ranken sich allerlei Anekdoten.
Die Haslerische Schenkung zielte darauf ab, den Agarnern in der Erfüllung ihrer religiösen Pflichten durch die Schaffung eines eigenen Rektorates einige Erleichterungen zu bringen. In der Dorfkapelle wurde in der Regel nur zweimal im Jahre, an St. Martin und an Weihnachten eine Messe gelesen. An allen anderen Sonntagen gingen die Agarner zu Fuss bei Wind und Wetter nach Leuk zum Gottesdienst. Man erinnert sich, dass die Kinder des Dorfes sich am Sonntagmorgen um 05.00 Uhr zum Abmarsch nach Leuk zusammenfanden, in Leuk beichteten und nüchtern kommunizierten, dann das Hochamt besuchten und erst am Mittag wieder in Agarn ankamen. Die Särge mit den Toten wurden ca. vier Kilometer weit auf einem Pferdewagen nach Leuk gezogen. Die Agarner Bevölkerung schritt den Rosenkranz betend hinterher. Agarn hatte also auch in Sachen der Religionsausübung Gründe, nach mehr Selbständigkeit zu streben. Nachdem die materiellen Grundlagen für die Errichtung eines Rektorates sichergestellt waren, konnte schliesslich Bischof Adrian Jardinier mit Dekret vom 17. Juli 1893 das Rektorat Agarn kirchenrechtlich errichten. Rektor Albert Julen schildert seine Ernennung und seinen Einzug in Agarn mit bewegten Worten: „Am 14 Oktober 1921 ernannte mich der hochwürdige Bischof zum Rektor von Agarn. Er teilte mir seine Absicht mit, mich nach Agarn zu senden. Ihre Aufgabe wird es sein, daselbst eine Pfarrei zu gründen und die Pfarrkirche zu bauen.
Wer die Tatkraft von Rektor Julen kannte, weiss, dass nun die Stunde der Pfarreigründung nahte. Durch ihn wurde das Rektorat Agarn erfolgreich in die Pfarrei Agarn übergeführt.
Die Gründung der Pfarrei und der Bau der Kirche
So begann also unser erster Pfarrer und Ehrenburger, Professor Dr. Albert Julen mit der Errichtung unserer Pfarrei und dem Bau unserer Kirche. Der Gründer der Pfarrei gesteht dann auch, dass er bei Antritt seiner Aufgabe am 27. Oktober 1921der Gottesmutter versprochen habe, 10 Jahre hintereinander einmal im Jahr das kleine Heiligtum auf Schwarzsee“ Maria zum Schnee“ aufzusuchen und dort zu Ehren der Gottesmutter die Hl. Messe zu lesen, wenn sie im helfe, ohne Unglück während dem Bau und ohne Schulden im ersten Jahr seiner Pastoration in diesem Dorfe die Kirche zu Ehren der Rosenkranzkönigin zu bauen. Dies ist dann, so heisst es weiter, auch genauso gekommen. Zur ehrenhaften Erinnerung hier an dieser Stelle der Lebenslauf unseres Pfarreigründers.
H.H. Professor Albert Julen, geboren am 8. Mai 1895 in Zermatt, besuchte die Mittelschule in Sarnen und studierte Theologie in Sitten und Innsbruck. Im Jahre 1920 wurde er Priester.Er studierte sodann in Freiburg (DE), Rom und in Bergamo. Er war Doktor der Sozialwissenschaften und wurde 1922 erster Pfarrer in Agarn. Er ist der Erbauer der Pfarrkirche, des Friedhofes und des Pfarrhauses. Ebenso ist er Gründer des Kirchenchores, ein grosser Wohltäter der Pfarrei und Gemeinde. Er stiftete mehrere Legate, unter anderem für die elektrischen Geläute der Kirche und für den Marienbrunnen. Im Jahre 1960 wurde er Ehrenburger von Agarn. Eine Ehrentafel an der Westseite der Kirche gilt seinem würdigen Andenken. Dr. Julen verbrachte seinen Lebensabend in seiner Heimat Zermatt. Er starb am 16. Mai 1968 in Brig. Dr. Julen war eine sehr gebildete, zielstrebige Persönlichkeit. Er verstand es, die Bevölkerung von Agarn zu ausserordentlichen Leistungen zu führen, war sehr beliebt und als Pionier und Schrittmacher des modernen Agarn sehr geachtet und verehrt.
Ein Baufond wurde eingerichtet, um die Finanzierung zum Bau der Kirche zu sichern. Damit begann ein unglaubliches Kapitel das allein ein Abend füllendes Thema wäre.
Zum Bau einer Kirche benötigte man allerdings nicht nur Geld, sondern auch einen Baugrund. Dazu Dr. Julen: Es standen zwei Plätze im Vordergrund des Interesses; die Stelle, wo die alte Kapelle stand, an der sogenannten Langgasse und die sogenannte Kreuzmatte, wo die Kirche heute steht. Die Frage wurde am 6. Juni 1920 durch die Schenkung der Brüder Adrian und Josef Marie Ammann gelöst. Vor allem ist es auch am Platze, hier der Grosszügigkeit und Weitsicht der Gebrüder Ammann in Dankbarkeit zu gedenken.
Nicht ohne Probleme war natürlich die Ablösung der Pfarrei Agarn von der Pfarrei Leuk. In Gegenwart des Rektors Albert Julen erneuerte die Urversammlung vom 2. November 1921 den Beschluss der Pfarreigründung und des Kirchenbaus. Somit waren definitiv keine Beiträge an Leuk mehr zu leisten.
Zu einer Pfarrkiche gehört auch ein Friedhof. Es war deshalb das Bestreben der Agarner, eine eigene, würdige Beerdigungsstätte zu bauen. Bischof Bieler gab bereits am 29. November 1921 die kirchliche Erlaubnis, in Agarn zu beerdigen. Nach einer Inspektion genehmigte das Departement des Innern am 10. Dezember 1921 den neuen Friedhof.
Auch die Pläne mussten rasch beschafft werden. Die Baukommission und die Gemeindeverwaltung erteilten deshalb am 30. November 1921 dem Architekten Lucien Praz aus Sitten, der sich schon durch seinen 1914 ausgeführten Bau der Pfarrkirche Steg empfahl, den Auftrag zur Ausarbeitung der Pläne. Praz, dem auch die Bauleitung übertragen wurde, arbeitete schnell. Bereits am 11. Dezember 1921 wurden dem Kantonalen Baudepartement in Sitten die provisorischen Baupläne eingereicht.
Zu den heikelsten Vorarbeiten bei der Gründung unserer Pfarrei zählt sicher die Abklärung ihres Einzugsgebietes. Das Errichtungsdekret der Pfarrei traf am 29. Dezember 1921in Agarn ein und wurde am Neujahrstag nach der Verlesung des Evangeliums der Bevölkerung mitgeteilt. Nach dem Freudentag der Pfarreierrichtung folgte der Übergang in den grauen sonnenlosen Alltag des Winters 1922. Es ging nun darum, die Finanzierung des Kirchenbaus sicher zu stellen.
So war es dann endlich soweit. Am 1. Mai 1922 erfolgte der Spatenstich zum Bau der Kirche. Die Arbeiten wurden zunächst der Firma Sassi-Bernasconi von Brig, dann nach einigen Missständen der Firma Rössli von Brämis zugesprochen. Die Bauarbeiten kamen zügig voran. Die Glockenweihe fand am 12. März 1923 statt. Am Ostersonntag im Jahre 1923 konnte in der Pfarrkirche erstmals Messe gelesen werden. Die Kirchenweihe selbst fand am 21. Oktober 1923 statt.
Die Zähigkeit, mit der die Agarner und auch Dr. Julen an ihrer Kirche arbeiteten, war beeindruckend. Man versteht nun aber den Erfolg all dieser Anstrengungen: die Kirche stand beim Wegzug von Pfarrer Albert Julen im Jahre 1925 ohne Schulden da. Dieses Ereignis ist noch heute unvergessen.
Auf H.H. Professor Albert Julen folgten in der Seelsorge
• 1925 - 1927, H.H.Simon Supersaxo konnte sich in seinem kurzen Wirken nur wenig an die Bevölkerung gewöhnen. Er war jedoch ein eifriger Priester.
• 1927 - 1943, H.H. Josef Lauber bezahlte 1928 die Innenbemalung der Kirche, welche vom Maler Josef Heimgartner ausgeführt wurde. Er bleibt als Kunstfreund und Wohltäter in Erinnerung. Bei den unentgeltlichen Gerüstbauarbeiten in der Kirche verunfallten Otto Clavioz und Josef Schillig. Sie fielen vom Gewölbe auf die Kirchbänke herab und blieben zeitlebens teilinvalid.
• 1943 - 1946, H.H. Xaver Noti gründete in Agarn die Jungmannschaft, die Jungfrauenkongregation, die Jungwacht, den Blauring und einen Arbeiterverein. Er hat sehr viel zum geistlichen Aufbau der Pfarrei beigetragen. In seiner Amtszeit feierten die Agarner die Primizen von H. H. Anton Clavioz 1945 und H. H. Heinrich Mathieu 1946.
• 1946 - 1959, H. H. Daniel Jossen, in die Amtszeit von Pfarrer Jossen fallen der Kauf des Pfarrgartens, die elektrische Heizung in der Kirche, der Einbau der ersten Orgel 1947 / 1948 und der Bau des neuen Schulhauses zu Beginn der fünziger Jahre.
• 1959 - 1977, H. H. Wilhelm Pierig führte als Regisseur und Musiker mit den Agarner Vereinen die Stücke „Im Gantertal (1961, 1973)“, „Die Schöpfung (1963)“, „Hauptmann Gerwer (1966)“, „Der Schusterbaron(1969)“, „Der selige Florian (1970)“, „Der letzte Sander (1975)“ und „Die Quatembernacht (1977)“ auf. Das elektrische Geläute und das Carillon, das „Tängälu“, wurden in seiner Amtszeit eingerichtet. Der Kirchenchor erlebte unter ihm seine Blütezeit.
• 1977 - 1981, H. H. Hermann Widmer, während seiner Tätigkeit in Agarn wurde das 1. Dorffest zugunsten der Kirchenrenovation durchgeführt. Diese Einnahmen dienten zur Finanzierung der 1979 unternommen, neuen Kirchenbedachung.
• 1981 - 1986, H. H. Johann Werlen ist bei uns immer noch bekannt als der Mann Gottes. In seine Amtszeit fallen die Totalrenovation der Pfarrkirche, die Weihe der neuen Glocken, der Bau des Kreuzweges und die Gründung eines Pfarreirates. Pfarrer Johann Werlen ist neben Pfarrer Dr.Albert Julen und Pfarrer Josef Lauber einer der grossen Wohltäter unserer Pfarrei. Er hat den Weiterbestand des Gotteshauses Agarn gesichert und weitsichtig, mit ausserordentlichem Geschick im Bauwesen und in der Beibringung finanzieller Mittel in kurzen Jahren eine einmalige Leistung vollbracht. Er ist im März 2012 zu seinem Schöpfer heimgekehrt.
• 1986 - 1999, H.H. Josef Riners Anliegen war der geistliche Aufbau Pfarrei, das er mit Klugheit und Erfolg vertreten hat.
• 1999 - 2011, H. H. Andreas Werlen hat versucht, mit Hilfe derer, die ihn bei dieser Aufgabe unterstützt haben, sein Bestes zu geben. Mit den aktuellen Änderungen in der pastoralen Seelsorge musste er sich gleich um die zwei Gemeinden Agarn und Guttet-Feschel kümmern. In der Seelsorgehelferin Irma Wyssen fand er sodann eine gute Helferin, die im 12. Jahr seiner Amtszeit von Marie-Therese Steiner abgelöst wurde.
• Seit nun mehr als einem Jahr ist unsere Pfarrei in die neue Seelsorgeregion Agarn, Turtmann, Ergisch, Ober- und Unterems eingeteilt. Pfarrer Miron Hanus, Pater Joseph Chennellyil und die Seelsorgehelferin Marie Therese Steiner haben die Herausforderung angenommen, uns in dieser nicht einfachen Zeit seelsorgerisch zu betreuen. Für ihren Mut, ihr grosses Engagement und für eine gute erfolgreiche Zusammenarbeit sprechen wir ihnen einen grossen, herzlichen Dank aus.
Mit dem Erbe, das wir von Rektor Hasler und von Dr. Albert Julen übernommen haben, sind wir verpflichtet, weiter am Bestehen unserer Pfarrei und unserer Dorfgemeinschaft zu arbeiten. Was unsere Altvorderen begonnen haben, was all die Kirchenräte, Sakristane, Pfarreiräte und alle die stillen Kirchendiener, die nie genannt werden, getan haben und tun werden, soll uns Ansporn sein, unsere Pfarrei mit unserer Kirche, die, wie es die 90 Jahre, trotz Stürmen und einigen Rissen zeigen, fest auf ihren Grundmauern steht, weiterhin zu erhalten und wie es im Marienlied unserer Schutzpatronin heisst; Maria breit den Mantel aus mach Schirm und Schild für uns daraus, soll der Mantel unsere Pfarrei und Gemeinde sein, und unser Gotteshaus Schutz und Schild für alle.